Der Anruf kommt um 10.32 Uhr: „Ich bin in Barbis. Marathon ist geschafft“, sagt Sven Franke. „Jetzt sind es noch etwa fünf Stunden.“ Nach einem Marathon noch fünf Stunden weiterlaufen? Sven Franke vom Brockenlaufverein Ilsenburg ist am Samstag, 8. Februar, einer von 184 Teilnehmern der Brocken-Challenge. Und er hat Recht: Am Ende wird er für die 80 Kilometer lange Strecke von Göttingen auf den Brocken – Barbis liegt bei Kilometer 42,5 – neun Stunden und 37 Minuten benötigen. Platz 52.
Die Brocken-Challenge wirbt lakonisch mit dem Spruch „kalt – hart – schön“ – so steht es auch auf den Startnummern. Und das ist keineswegs übertrieben: Die Läufer starten in frostiger Dunkelheit um 6 Uhr in Göttingen und laufen – zunächst noch mit Stirnlampe – durch Matsch, Schnee, Eis. Kämpfen sich insgesamt 1.900 Höhenmeter den Harz hinauf. Unterwegs gibt es Abschnitte wie den berüchtigten „Entsafter“, die ihnen durch den dauernden Anstieg die Energie regelrecht aus dem Körper saugen.
Doch Sven hat Glück: Bei seiner ersten Teilnahme sind die Bedingungen nahezu perfekt. Während vor einem Jahr der Schnee meterhoch lag, es gefährlich glatt war und auf dem Brocken Orkanböen mit bis zu 120 Kilometern pro Stunde pfiffen, ist es an diesem Samstag tatsächlich „ein bisschen wie Wellness“, wie Teamkollege Daniel Knauer aus Veckenstedt nach seiner achten Brocken-Challenge (9:38 Stunden, Platz 58) sagt. Mit Sonne, Temperaturen um den Gefrierpunkt und nur ein paar Sturmböen. Obendrauf gibt es kurz nach dem Start sogar noch einen schönen Sonnenaufgang zu sehen.
Sieger der 17. Brocken-Challenge ist – wieder einmal – Florian Reichert aus Tegernsee. Er läuft die 80 Kilometer in sechs Stunden und 41 Minuten. Als beste Frau schafft Sybille Mai aus Augsburg sogar einen Streckenrekord: acht Stunden und 14 Minuten. Irmgard Eggert aus Halberstadt kommt in elf Stunden und drei Minuten auf Platz 129. Der letzte Läufer erreicht um 19.40 Uhr den Brocken, 20 Minuten vor Zielschluss.
Maximal 200 Sportler dürfen mitlaufen, mehr als doppelt so viele wollen allerdings dabei sein. Deshalb werden die Startplätze verlost. Die Brocken-Challenge ist aber nicht nur ein Abenteuer für Ultra-Läufer. Sie ist auch eine Benefizveranstaltung. Der Lauf wird vom Göttinger Verein „Ausdauer-Sport für Menschlichkeit“ organisiert und sammelt Spenden für den guten Zweck: bislang rund 260 000 Euro.
Für jeden Läufer eine Pflicht: der Rucksack. Denn: „Die Brocken-Challenge wird mit dem Anspruch veranstaltet, keine Spuren zu hinterlassen, außer den Fußabdrücken im Schnee“, heißt es von den Veranstaltern. Und so haben die Läufer jede Menge Ausrüstung mit auf der Strecke dabei: Handy, wind- und wasserdichte Kleidung, Energieriegel, Stirnlampe, Erste-Hilfe-Paket, eine Trillerpfeife und ausreichend zu trinken. Fünf bis sechs Kilo kann so ein Rucksack schon mal wiegen.
„Es war eine Superveranstaltung, ohne Zwischenfälle“, sagt Markus Ohlef, einer der Organisatoren der Challenge. Sein 17. war auch sein letzter Lauf. Er hat entschieden, sich künftig auf die Organisation der Veranstaltung zu konzentrieren. Denn Ohlef ist nicht nur Sportler, sondern arbeitet auch selbstständig und macht Musik. „Ich muss Prioritäten setzen. Und die Familie ist wichtiger“, sagt er. Sein letzter Lauf dauert mit zehn Stunden und 41 Minuten zwei Stunden länger als sein bester. Er hat dieses Mal mit seinen Barfußlaufschuhen Probleme in den festgefahrenen Spuren der Forstfahrzeuge, erzählt er. Außerdem genießt er den Lauf, macht Fotos, isst Kuchen, lässt sich Zeit.
Und Sven Franke? Ist er zufrieden? „Auf jeden Fall. Für das erste Mal und nur acht Wochen Training war das sehr gut“, sagt er. „Und vor allem: Ich bin gesund oben angekommen.“
Foto: Sven Franke (links) wird von Steven Lambeck (beide BLV Ilsenburg) auf den letzten Metern zum Ziel begleitet.